SPD-Finanzpolitiker für Erbschaftssteuer: „Das wird auch die FDP verstehen“

SPD-Finanzpolitiker Tim Klüssendorf fordert mehr Geld aus der Erbschaftssteuer – und widerspricht Finanzminister Lindner bei der Kindergrundsicherung.

Frau öffnet ein Schließfach in einem Banktresor

Mit Änderungen bei der Erbschaftssteuer lassen sich neue Geldquellen auftun Foto: imago

taz: Herr Klüssendorf, war der Koalitionsausschuss ein Erfolg?

Tim Klüsssendorf: Es ist gut, dass es nach Wochen des Konflikts jetzt ein Ergebnis gibt.

Ein „sehr, sehr, sehr gutes“ Ergebnis?

Ich kann dem Bundeskanzler natürlich nicht widersprechen. Alle drei Parteien haben Federn gelassen. Kritisch sehe ich allerdings die Entkopplung der Sektorziele, weil die einzelnen Ministerien nun nicht mehr so stark in der Verantwortung stehen. Die Zusicherung, dass beim Heizungsaustausch niemand alleine gelassen wird, war dringend nötig. Es gibt Eigenheimbesitzer, die nicht so viel Geld haben und die wir nicht im Stich lassen werden.

Hat der Staat genug Geld, um die gewaltigen Kosten der Transformation abzufedern?

Die finanzielle Lage ist angespannt. Das hat der Koalitionsausschuss gar nicht verhandelt. Wenn alle Wünsche der Ministerien erfüllt werden, fehlen im Haushalt 70 Milliarden Euro. Es stellt sich die Frage: Wie soll das funktionieren?

Sagen Sie es uns.

Der Staat braucht auch mehr Einnahmen, etwa über die Erbschaftsteuer.

Steuererhöhungen sind laut Koalitionsvertrag ausgeschlossen.

Wir müssen dafür keine Steuersätze erhöhen. Im Gegenteil: Wir könnten sogar einige Freibeträge erhöhen. Wir müssen vielmehr Sonderregelungen in der Erbschaftsteuer, die nur Vermögen über 26 Million betreffen, abschaffen. Derzeit können Betriebsvermögen in extra gegründeten Stiftungen und sogenannten Family Offices übertragen werden. Und es ist möglich, dass Milliarden an Betriebsvermögen steuerfrei vererbt werden. Wer erbt, muss nur darlegen, kein eigenes Vermögen zu besitzen, dann fällt kein Cent Erbschaftsteuer an. Diese Sonderregel für Erbschaften über 26 Millionen, die Verschonungsbedarfsprüfung, muss weg. Denn da wird sehr viel Geld legal am Fiskus vorbeimanövriert.

Wie viel würde die Änderung bringen?

Die Schätzungen reichen von fünf bis 14 Milliarden Euro im Jahr.

Die üblichen Lobbygruppen werden diese Idee als Substanzbesteuerung angreifen…

Bei Betriebsvermögen bis 26 Millionen gibt es klare Regeln, die sicherstellen, dass Privat- und Betriebsvermögen trennscharf sind. Man muss sieben Jahre lang 100 Prozent der Löhne weiter zahlen und 90 Prozent des Produktionskapitals einsetzen. Diese Regeln gelten ab 26 Millionen nicht mehr. Das ist ungerecht.

Erbschaftsteuer ist eher unpopulär: Beim Tod der Eltern soll sich der Staat raushalten …

Ja, stimmt. Wir müssen deshalb den Menschen die Angst nehmen. Diese Änderungen betreffen ja nur eine sehr kleine Gruppe. Es geht um Familien wie Quandt und Döpfner, die teilweise Milliarden am Staat vorbeibewegen. Den Handwerksbetrieb mit fünf Mitarbeitern tangiert das nicht.

Dieses Gesetz bräuchte Mehrheiten in Bundestag und Bundesrat. Gibt es die?

Im Moment noch nicht. Aber es gibt auch keine Mehrheit im Parlament dafür, einfach 70 Milliarden Ausgaben zu streichen.

geboren 1991 in Lübeck, ist seit 2021 direkt gewählter SPD-Abgeordneter im Bundestag und Mitglied im Finanzausschuss. Er gehört zum Vorstand der Parlamentarischen Linken der SPD, die eine einmalige Vermögensabgabe zur Finanzierung der Krisenkosten vorschlägt.

Die FDP wird Nein sagen.

Kann sein. Aber auch die FDP wird sagen müssen, wie sie den Haushalt aufstellen will und zum Beispiel die Bundeswehr und die Kindergrundsicherung finanzieren will.

Laut Lindner gibt es kein Geld für die Kindergrundsicherung.

Eins ist sicher: Die SPD-Fraktion wird keinem Haushalt zustimmen, in dem alle ihre Projekte weggekürzt werden. Daher müssen wir auch über Steuersubventionen reden. Vor allem jene, die nur einzelne Branchen unterstützen oder eh nur temporär angelegt waren, müssen ernsthaft auf den Prüfstand. Selbst Christian Lindner hat etwa die Mövenpicksteuer für Hotelübernachtungen mal als ordnungspolitischen Fehler bezeichnet. Es gibt also Spielräume.

Woher kommt Ihr Optimismus?

Erstens: Wir regieren nicht mehr mit der Union in der Rolle des Juniorpartners. Zweitens: Der Druck ist sehr hoch. Wir brauchen mehr Einnahmen. Da stellt sich zwingend die Frage nach dem kleineren Übel. Und: Wir können die Mitte der Gesellschaft, die durch Corona und Inflation unter Stress steht, nicht noch weiter belasten. Das wird auch die FDP verstehen.

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