Politik

SPD-Linke will Abgabe für Reiche "Die hohen Vermögen müssen mehr beitragen"

Teure Supersportwagen mit deutschem Kennzeichen stehen vor einem Münchener Luxushotel.

Teure Supersportwagen mit deutschem Kennzeichen stehen vor einem Münchener Luxushotel.

(Foto: imago images/imagebroker)

Mit einer einmaligen Sonderabgabe will der linke Flügel der SPD-Fraktion besonders Vermögende zur Bewältigung der Krise heranziehen. Bis zu 350 Milliarden Euro könnten so zusammenkommen, rechnet der Bundestagsabgeordnete Tim Klüssendorf bei ntv.de vor - und erklärt, wie das gehen soll.

ntv.de: Herr Klüssendorf, in einem Positionspapier der Parlamentarischen Linken - der größten politischen Strömung innerhalb der SPD-Bundestagsfraktion - schlagen Sie zur Finanzierung des Haushaltes in Krisenzeiten eine einmalige Abgabe für Vermögende vor. Wer soll in welchem Umfang belastet werden?

Tim Klüssendorf: Es geht um Menschen mit einem Nettovermögen von mehr als zwei Millionen Euro. Bei Anteilen an Kapitalgesellschaften liegt die Untergrenze bei 5 Millionen Euro. Das betrifft 0,4 bis 0,5 Prozent der Gesamtbevölkerung.

Tim Klüssendorf
Klüssendorf und Scholz im Jahr 2021

(Foto: imago images/Agentur 54 Grad)

Der studierte Volks- und Betriebswirt arbeitete als persönlicher Referent des Lübecker Bürgermeisters Jan Lindenau, bevor er im vergangenen September für die SPD den Wahlkreis Lübeck direkt gewann. Im Bundestag ist der 30-Jährige Mitglied im Finanzausschuss.

Und wie viel Geld sollen diese Vermögenden dem Staat überweisen?

Das hängt von der Höhe der Sätze ab. Bei forschen Sätzen von 10 bis 30 Prozent - versehen mit einer Progression, sodass 'niedrigere' hohe Vermögen weniger stark belastet würden als sehr, sehr hohe Vermögen - kommt ein dreistelliger Milliardenbetrag zusammen. Die Berechnungen gehen da bis zu 350 Milliarden Euro.

Die würden aber erst langfristig zusammenkommen, weil Sie eine gestaffelte Zahlung vorschlagen. Warum?

Uns ist natürlich daran gelegen, dass der Wirtschaftskreislauf weiter funktioniert und unsere Wirtschaftsleistung nicht beschädigt wird. Deshalb ist es wichtig, dass diese Menschen, auch wenn sie sehr vermögend sind, nicht binnen eines Jahres zehn Prozent ihres Vermögens abgeben müssen. Das wäre tatsächlich schwer zu realisieren, weil die Vermögenswerte ja nicht bar herumliegen, sondern gebunden sind in Anlagen, Immobilien und Wertgegenständen. Deshalb schlagen wir einen Zeitraum von 20 Jahren vor, in dem die Abgabe abgezahlt werden kann.

Die Bemessungsgrundlage wäre das jeweilige Nettovermögen. Was ist darunter zu verstehen?

Das ist wie bei der Erbschaftssteuer: Es geht um das Bruttovermögen, also alle Gegenstände von Wert abzüglich der Verbindlichkeiten. Dieses Nettovermögen wäre abgabepflichtig.

Diese Werte zu ermitteln ist aber auch bei größeren Erbschaften schon eine schwierige Aufgabe. Superreiche haben ihr Geld oft in komplexen Konstrukten geparkt und angelegt. Unternehmensvermögen sind noch schwerer zu ermitteln. Wie soll das praktisch gehen?

Bei der Erbschaftssteuer funktioniert es ja auch. Und das Argument der Umsetzbarkeit wird auch von Gegnern der Vermögenssteuer ins Feld geführt. Wir hatten aber bis 1997 eine Vermögenssteuer, wo die Finanzämter das auch gewuppt bekommen haben. Die vielen Fälle, in denen Menschen offensichtlich keine zwei Millionen Euro besitzen, wären relativ unbürokratisch zu handhaben. Für das Finanzamt ist es bei 95 Prozent der Steuerpflichtigen plausibel, wenn sie angeben, nicht so viel Vermögen zu besitzen. Aber um Grenzfälle zu prüfen, ob jemand nun 1,5 Millionen Euro besitzt oder 2,5 Millionen Euro, müsste das Finanzamt gestärkt werden.

Und die Finanzbeamten diskutieren dann mit dem Milliardär, wie viel der Cézanne wert ist, der in der Zweitvilla hängt?

Ja, auch wenn das eher Einzelfälle sind. Natürlich sind Kunst- und andere schwer bemessbare Gegenstände ein Thema, wo man sich über unbürokratische Lösungen Gedanken machen muss. Es gibt ja Praxisbeispiele aus anderen Ländern, wo Standardlisten zur Anwendung kommen und nicht um jeden einzelnen Preis gefeilscht wird.

Dabei sind viele Finanzämter in Deutschland schon für ihr derzeitiges Arbeitsaufkommen nicht ausreichend ausgestattet. Wie wollen Sie den Steuerprüfern da so viel Mehrarbeit aufbürden?

Mehr Personal wird ja grundsätzlich benötigt, etwa zur Bekämpfung der Steuerflucht. Das sind Stellen, die sich rechnen, weil jeder Finanzbeamte mehr Geld einnimmt, als er kostet. Natürlich ist es schwer, Personal für die Behörden zu bekommen. Aber nach meiner Erfahrung - ich komme selbst aus der Verwaltung - ist das Angebot im Finanzbereich vergleichsweise okay.

Ihr Parteigenosse, Bundeskanzler Olaf Scholz, war als Bundesfinanzminister ja selbst einmal oberster Dienstherr der Finanzbeamten. Hat Herr Scholz schon von Ihrem Vorschlag Wind bekommen und was sagt er dazu?

Ich habe den Eindruck, dass man im Kanzleramt wahrnimmt, was für Vorschläge aus der eigenen Fraktion kommen, und dass das auch auf oberster Ebene diskutiert wird. Zur Übergewinnsteuer hat der Kanzler schon verlautbaren lassen, dass diese derzeit nicht in Planung sei. Zur Vermögensabgabe habe ich das noch nicht gehört.

Die Debatte um die Übergewinnsteuer und nun auch um die von Ihnen vorgeschlagene Einmalabgabe verweist auf einen vermeintlichen Mangel auf der Einnahmeseite.

Es geht uns nicht darum, aus purer Freude die Steuereinnahmen zu erhöhen. Wir haben teure Entlastungspakete zu finanzieren, die jetzt schon 30 bis 40 Milliarden Euro gekostet haben und die noch weiter ausgebaut werden sollen. Das sollen die Menschen finanzieren, denen es am besten geht. Deutschland besteuert im internationalen Vergleich hohe Vermögen gering. Auch die Übergewinnsteuer adressiert den Eindruck, dass einige Unternehmen von der Krise noch profitieren, während sehr viele Menschen ihre Heizung runterdrehen sollen und sich Sorgen machen, was sie sich noch leisten können.

Ihr liberaler Koalitionspartner würde vermutlich argumentieren, dass es wirtschaftlich kontraproduktiv wäre, in einer sich anbahnenden Wirtschaftskrise Leistungsträger zusätzlich zu belasten und Vermögenden und Unternehmen ihr Investitionskapital zu nehmen.

Für mich sind Menschen, die für 2100 Euro brutto im Monat Menschen pflegen, genauso Leistungsträger. Das ist Definitionssache. Die Vermögensabgabe zielt auch nicht auf Menschen mit hohem Einkommen, die in Unternehmen Verantwortung tragen, wie zum Beispiel leitende Angestellte oder Facharbeiterinnen. Es geht um Menschen mit einem sehr hohen Privatvermögen, etwa in Form von Immobilien und Kapitalbeteiligungen.

Reform der Erbschaftssteuer, Einführung einer Vermögenssteuer, höhere Spitzensteuersätze: Schon seit den Koalitionsverhandlungen scheitern SPD-Wünsche nach einer stärkeren Einbeziehung der Vermögenden in die Staatsfinanzierung regelmäßig am kleinsten Regierungspartner, der FDP. Wollen Sie mit Ihrem Vorschlag auch ein Zeichen setzen, dass die SPD jetzt das Land regiert und endlich stärker umverteilt werden muss?

Mir geht es schon auch darum, dass die Parlamentarische Linke so ein Signal setzt. Aber die FDP ist nicht, wie das manche darstellen, ein Bremsklotz. Bei vielen gesellschaftspolitischen Themen kommen wir gemeinsam super voran. Natürlich sind wir im steuer- und finanzpolitischen Bereich am weitesten auseinander. Das ist keine Überraschung. Wir müssen gucken, wo wir dennoch zusammenkommen. Deswegen ist mein Vorschlag aber nicht gleich ein Zeichen gegen die FDP.

Aber vielleicht gegen einen Teil des FDP-Klientels? Sie machen in Ihrem Positionspapier die Wohlstandsverteilung im Land als klaren Missstand aus. Ist das etwa keine Kampfansage an die Superreichen?

Es ist auf jeden Fall eine Ansage an die sehr hohen Vermögen, dass sie mehr beitragen müssen in unserer Gesellschaft. Dazu sind übrigens auch viele Vermögende von sich aus bereit. Die FDP hat außerdem eine deutlich größere Wählergruppe. Allein mit den Stimmen des reichsten ein Prozent wäre sie nicht im Bundestag.

Einige Reiche mögen zu mehr Abgaben bereit sein. Andere beklagen, dass Vermögende und Unternehmer schon jetzt zu stark belastet würden. Hat der einflussreiche Lobbyverband der Familienunternehmer sich schon bei Ihnen zu Ihrem Vorschlag gemeldet?

Selbstverständlich! (lacht) Als ein erster Entwurf des Papiers öffentlich wurde, haben sich diverse Verbände gemeldet. Das war auch zu erwarten.

Scheitert eine stärkere Besteuerung der Vermögenden vor allem an dem Einfluss, den solche Verbände und Lobby-Gruppen in Deutschland ausüben?

Deren Einfluss ist nicht zu unterschätzen. Aber auch jenseits von Lobbyeinflüssen besteht bei Teilen unseres Koalitionspartners, der FDP, starke Skepsis. In der FDP herrscht die Überzeugung, dass jegliche potenziell wirtschaftsschädliche Besteuerung so niedrig wie möglich gehalten werden muss und es ganz dramatisch sei, wenn Menschen dem Staat Geld abgeben müssen. Da müssen wir innerhalb der Koalition noch Überzeugungsarbeit leisten, um das aufzubrechen.

Geht es Ihnen auch darum bei Ihrem Vorschlag. Dem Bundesfinanzminister Alternativen zur Staatsfinanzierung aufzuzeigen, wenn er denn unbedingt an der Schuldenbremse festhalten möchte?

Auch dem Bundesfinanzminister ist klar, dass er mit der von ihm vorgeschlagenen Haushaltsaufstellung nicht durchkommen wird. Zwar ist die Steuerschätzung nach oben gegangen, aber von ihm vorgenommene Mittelkürzungen führen ja jetzt schon zu Streichungen. Das betrifft etwa Auslandsstudierende, die Gelder für das Technische Hilfswerk oder Langzeitarbeitslose. Und Koalitionsprojekte wie das Bürgergeld und die Kindergrundsicherung sind in dem Haushalt noch gar nicht eingerechnet. Ohne neue Einnahmen wird das nicht zu finanzieren sein. Wenn Herr Lindner zudem noch die kalte Progression abschaffen will, führt das zu noch weniger Einnahmen. Wie das finanziert werden soll, muss er erklären.

Gerade ein auskömmlicheres Bürgergeld anstelle von Hartz-IV gehört zu den Kernversprechen der SPD im Bundestag. Erwarten Sie von Ihrem Bundeskanzler, dass er im Zweifel dem Bundesfinanzminister eine Ansage macht, welche Partei die Regierung anführt?

Und wenn es im Herbst zu den wichtigen Entscheidungen kommt, rechne ich damit, dass er seine Richtlinienkompetenz im Sinne unserer Partei ausüben wird.

Werden sich am Ende dieser Legislaturperiode Vermögende stärker an der Finanzierung des Gemeinwesens beteiligen, als das bislang der Fall ist?

Ich sage: ja.


Mit Tim Klüssendorf sprach Sebastian Huld

(Dieser Artikel wurde am Sonntag, 07. August 2022 erstmals veröffentlicht.)

Quelle: ntv.de

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